Wenn die Pferdestärken aus der Steckdose kommen – ein Praxistest von Robert Fenus

Wenn die Pferdestärken aus der Steckdose kommen – ein Praxistest von Robert Fenus

Man schrieb das Jahr 1924, als der erste Diesel-LKW auf der IAA der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Nach fast 100 Jahren stehen nun die Zeichen auf Wandel: alternative Antriebe sollen 2025 in LKW-Flotten bereits 50 Prozent ausmachen, Diesel-Trucks werden zum Auslaufmodell.

Nachzulesen ist dieses Szenario in der Studie „European Truck Market Outlook 2022“ der internationalen Unternehmensberatung Brain & Company. Im Rahmen der Erhebung wurden 565 Flottenverantwortliche in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien befragt. 60 Prozent planen, in drei Jahren LKWs zu kaufen, die mit Strom oder Wasserstoff fahren bzw. zumindest hybrid angetrieben sind. Im Vergleich dazu: in Deutschland kommt ein neuer Diesel-LKW nur mehr für 28 Prozent der Studienteilnehmer infrage, 2018 waren es noch 50 Prozent.

Die Richtung ist seitens Politik und Gesellschaft vorgegeben, der Druck auf die Hersteller steigt: Wer bei Elektro- und Wasserstofffahrzeugen nicht bald über eine umfassende Modellpalette verfüge wird Marktanteile verlieren.

Was die Zielgruppe aktuell (noch) abschreckt, sind unter anderem die hohen Anschaffungskosten. Auf diese Bedenken gibt es seitens der Hersteller aber bereits interessante Antworten, zum Beispiel Abomodelle oder Pay-per-Use-Konzepte. Waren die Gesamtbetriebskosten eines LKW bislang das wesentliche Kaufkriterium, ist es jetzt die Reichweite. Damit E-LKWs auch Überland Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ohne Einbuße ersetzen können, ist eine leistungsfähige und auf den Lastverkehr ausgerichtete Ladeinfrastruktur notwendig. Seit Ende Jänner ist es so weit: Mit Europas erstem Ladekorridor für den Mittel- und Schwerlastverkehr investiert Aral in einen neuen Geschäftszweig und den Hochlauf der E-Mobilität im Logistikverkehr. An künftig acht 300 kW-Ladestationen zwischen Schwegenheim (Südpfalz) und Dortmund, einer der am stärksten befahrenen Logistikrouten in Europa, können pro Tag und Ladesäule mehr als 20 LKW während der gesetzlich vorgeschriebenen Fahrerpause von 45 Minuten grünen Strom für eine Reichweite von bis zu 200 km beziehen.

Für die Möbellogistikbranche hat Robert Fenus einen Elektro-LKW der Firma Quantron getestet. Es ist Ende Jänner, es ist stürmisch, es ist kalt und es schneeregnet auch ein wenig. Perfekte Bedingungen also für einen Praxistest.

Wenn die Pferdestärken aus der Steckdose kommen – ein Praxistest von Robert Fenus

Robert Fenus: Im November war ich bei Quantron in Deutschland und habe mir das Werk angesehen. Ein wesentliches Entscheidungskriterium war, dass die Modelle kurzfristig lieferbar sind. Jetzt kann ich einen 7,2 Tonner eine Woche lang testen. Bislang bin ich sehr zufrieden.

 

Wie sieht es aus mit Laden, der Infrastruktur, der Reichweite?

Unter realen Bedingungen, jetzt im Winter, im Stadtverkehr, beladen und leer hat der LKW eine Reichweite von 130 km. Sehr nutzerfreundlich finde ich, dass die Restreichweite am Display deutlich ersichtlich ist, da gibt es keine Überraschungen. Nicht so wie beim Aufladen (lacht). Mit einer 11 kW-Leitung braucht man neun Stunden zum Laden. Das ist zu schwach, aber auch sehr kostengünstig. Aktuell liegt der Preis für eine Tankfüllung bei der Wien Energie im Tarif „Tanke START“ bei € 40,50 (Tarif ohne Grundgebühr/Laden untertags), im Tarif „Tanke EXPERT“ bei € 8,46 (Tarif mit Grundgebühr/Laden nachts). Damit ist eine elektrische „Tankfüllung“ günstiger als mit Diesel. Beim ersten Mal ist uns ein teures Hoppala passiert: ich hatte den LKW an eine 43 kW-Leitung angeschlossen (mit dem falschen Ladekabel). Der Preis für diesen Anfängerfehler: € 170,-.

 

Ladest Du den LKW auf der Straße?

Ja, bei den Wien Energie Zapfsäulen. Meine Erfahrung aus dem Praxistest ist: man sollte jedenfalls auf eine eigene Infrastruktur setzen. Künftig werden wir daher auf unserem neuen Betriebsgelände im 23. Bezirk Ladestationen haben, die die LKWs innerhalb von 2 Stunden auf den Optimalwert von 80 % aufladen. Parallel dazu planen wir, eine Photovoltaikanlage auf der neuen Lagerhalle zu installieren.

 

Wie verhält sich der Energieverbrauch bei Nutzung der Hebebühne im Praxistest?

Die Hebebühne wird über die Batterie betrieben. Es empfiehlt sich, Nebenverbraucher wie Licht, Radio und Heizung auszuschalten. Generell hält sich der Energieverbrauch für die Hebebühne aber in Grenzen. Oft hört man Einwände, dass bei tiefen Temperaturen die Leistung dramatisch sinkt. Da war ich sehr gespannt auf das Ergebnis und es war auch ein Grund, warum ich die Testphase jetzt im Winter mache. Mein Fazit: einen Leistungsabfall aufgrund kalter Witterung kann ich nicht bestätigen.

Und die Kostenseite?

Der LKW, so wie er hier steht inklusive Kofferaufbau, kostet ca. € 150.000,-. Im Rahmen des Klima- und Energiefonds sind staatliche Subventionen für grüne LKWs geplant. Weitere Details dazu sollen im März, April veröffentlicht werden. Apropos Kosten: für die Tarifgruppe E, darunter fällt auch der Elektro-LKW, beläuft sich die Maut aktuell auf ca. 6 ct je Kilometer!

 

Dein Fazit?

Der Elektro-LKW dieser Generation ist ein gutes Konzept für den innerstädtischen Einsatz. Für die (inter)nationale Logistik arbeiten Hersteller bereits am 26-Tonnen-Wasserstoff-LKW mit einer Reichweite von 1.200 km. Ich denke, dass er realistisch in zwei Jahren am Markt sein wird. Alles in allem: Geräuscharme und emissionsfreie Antriebe wie Elektro und Wasserstoff sind DIE Lösungen für die Zukunft.

 

 

Zum WEITERlesen:
Pressemitteilung „ARAL eröffnet Europas ersten Ladekorridor für elektrische LKW“Pressemitteilung Studie „Mit alternativen LKW-Antrieben auf die Überholspur wechseln“Klima- und Energiefonds

Sie planen einen Umzug?

Umzugsanfrage stellen
oder

Sie möchten Mitglied werden?

Mitglied werden