Veränderung ist ein Marathonlauf, kein Sprint – Tanja Weber im Interview

Veränderung ist ein Marathonlauf, kein Sprint – Tanja Weber im Interview

Tanja, Du begleitest Unternehmen und Organisationen bei der Entwicklung von Innovationen, Prozessen, Identität und Kultur. Bei der ÖMTV-Generalversammlung sehen wir uns gemeinsam mit Dir das Thema Bildung im ÖMTV-Kontext genauer an und stellen die Weichen für die Zukunft. Am Ende soll ein „Arbeitsauftrag 2024“ zur ÖMTV Aus- und Weiterbildung stehen.

Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung. Wir erleben es tagtäglich und trotzdem ist der Mensch per se veränderungsresistent. Selbst bei klar positiven Veränderungen gibt es immer Widerstand. Warum ist das so?

Veränderungen fallen uns schwer, weil wir Menschen tatsächlich „Gewohnheitstiere“ sind. Das liegt an unserem Gehirn. Über 80 % aller Tätigkeiten erledigen wir automatisch, ohne nachzudenken. Durch viele Wiederholungen haben die Neuronen breite Wege für Gewohnheiten gebildet. Wenn wir Routinen verlassen, führt das zu Stress. Jetzt muss das Gehirn seine Trampelpfade verlassen. Die Amygdala, der sogenannte „Gefahrenriecher“, schüttet Botenstoffe aus, die uns in Alarmbereitschaft versetzen – wir sind irritiert, verunsichert – das ist anstrengend!

Unser Gehirn ist aber am liebsten im Energiesparmodus. Erst, wenn die Veränderung neue Wege im Gehirn gefunden hat – also die dafür zuständigen Nervenzellen neue tiefe Bahnen gebildet haben – sind wir wieder erleichtert.

 

Wie kann man selbst seinen „naturgesetzmäßigen“ Widerstand gegen Veränderungen in Neugierde auf etwas Neues verwandeln?

Zunächst einmal hilft es, diesen Mechanismus zu verstehen und zu wissen, dass der Widerstand als erste Reaktion völlig „normal“ ist. Dann kann man ihn auch überwinden.

Die Bereitschaft, Neugierde auf Neues zu entwickeln heißt nicht, dass wir alle Komfortzonen hinter uns lassen müssen. Aber wir können unser Gehirn für Veränderungen trainieren, wie einen Muskel. Mit kleinen Veränderungen im Alltag, wie einem neuen Geschmackserlebnis, einem anderen Weg zur Arbeit, mit jedem Blick über den sprichwörtlichen Tellerrand hinaus.

Und es hilft, wenn man einen Handlungsspielraum hat und sich bewusst macht, dass man der Veränderung nicht ausgeliefert ist, sondern sie mitgestalten kann.

 

Du führst uns in einem dynamischen Prozess vom IST zum SOLL. Warum ist eine Standortbestimmung so wichtig?

Meine Erfahrung und Überzeugung ist, dass die essentielle Voraussetzung für gelungene Weiterentwicklung die Einbindung der betroffenen Menschen ist.

Den Vorständen des ÖMTV ist es ein Anliegen, dass das Ergebnis des Workshops – der „Arbeitsauftrag 2024 zur ÖMTV Aus- und Weiterbildung“ aus dem Verband heraus entsteht, also von den Mitgliedern gestaltet wird.

Damit dies möglich ist, braucht es ein gemeinsames Ausgangsbild und Verständnis für den Start: Wo stehen wir, was sind unsere brennenden Themen, was ist gut und soll so bleiben, warum wollen wir etwas verändern. Das schafft Klarheit und gibt Orientierung.

Danach wird es möglich, die Weichen für die Zukunft zu stellen und gemeinsam zu schauen, in welche Richtung soll es gehen, wie groß wollen wir die Schritte setzen, was braucht es dafür.

 

Wie wird – in groben Zügen – der Workshop-Tag aussehen?

Das Knowhow und die Erfahrungen der ÖMTV-Mitglieder sind ein großer Schatz, den werden wir nutzen. Darum wird es viel Raum für lebendigen Austausch geben.

Wir starten gemeinsam mit der Standortbestimmung und werden den Blick auch auf aktuelle und zukünftige Herausforderungen der Branche richten.

Im nächsten Schritt fokussieren wir uns auf das Thema „Aus- und Weiterbildung“: Wie ist der Status, was passt, was sind Barrieren, was braucht es verbandsseitig jetzt und in Zukunft.

Der Tag wird dynamisch sein. Es geht darum, Unterschiedlichkeiten anzuerkennen und Gemeinsamkeiten zu finden. Wir werden dem Gruppenfluss folgen und bedarfsorientiert nach Lösungen suchen. Ergebnis ist ein konkreter, akkordierter ÖMTV-Arbeitsauftrag für das kommende Jahr mit Zuständigkeiten, Aufgaben, Terminen.

Das geht nur durch Reden & zuhören und mit einer großen Portion Freude am Tun.

 

Wenn wir bei der Tagung Bestehendes überdenken, bewegen wir bereits etwas: wir verändern die eine oder andere Sichtweise, eröffnen neue Optionen. Dieses „Bewegen“ impliziert bereits eine Veränderung. Was sind die Erfolgsparameter in einem Change-Prozess, was die Stolpersteine?

Um in eine offene, neugierige Haltung zu kommen, die andere Sichtweisen möglich macht, sind drei Erfolgsfaktoren wesentlich, die ich eigentlich oben schon beschrieben habe:

  1. Vom Sollen zum Wollen
  2. Zugehörigkeit & Anerkennung
  3. Gestaltungsspielräume

Wir Menschen brauchen immer ein Warum & Wofür. Warum ist es notwendig, dass wir uns verändern? Wo macht es Sinn, gemeinsam als Verband Lösungen zu entwickeln, statt jeder für sich. Was erhoffen wir uns davon? Was passiert, wenn nichts passiert? Was bedeutet die Veränderung für mich individuell und was ist mein persönlicher Nutzen? Wenn wir verstehen, warum wir etwas tun, beruhigt sich unser Gehirn. Positive Sichtweisen schalten den neuronalen Alarmmodus aus.

Genauso ist es mit der Zugehörigkeit: Gemeinsame Werte verbinden – hier wurde der Grundstein in der GV 2022 gelegt – schaffen Vertrauen, Sicherheit und Offenheit. Wenn wir das Gefühl haben, mit anderen verbunden zu sein, wertgeschätzt und gehört zu werden, können wir leichter mehr und gemeinsam getragene Lösungen und Entscheidungen finden.

Miteinander etwas zu gestalten weckt zudem unsere kindliche Neugierde und macht Freude. Dadurch werden im Gehirn jene Teile des Belohnungssystems stimuliert, die das Glückshormon ausschütten. Das macht uns kreativer und ebenfalls offener für Neues.

Meine Rolle ist es, Menschen in diese Bewegung zu bringen und einen sicheren Rahmen zu schaffen, in dem Offenheit, Flexibilität, Zielgerichtetheit, Wertschätzung und Freude am Tun möglich sind.

Stolpersteine für gelungenen Veränderung sind: Entscheidungen von oben nach unten, schlechte Kommunikation, mangelnde Einbindung der Betroffenen und Perfektionismus.

 

Wenn im Prozessablauf die Neugierde die emotionale Führung übernommen hat, spürt man auch die „Mitmachenergie“. Wie wird aus einer Initialzündung ein Dauerfeuer?

Die Initialzündung wird möglich durch den Wunsch nach Veränderung und das Commitment zur Umsetzung. Das Dauerfeuer und damit die Wirksamkeit entstehen durchs konsequente Dranbleiben. Dafür braucht es Prozesse, Zeit und Ressourcen, bis die Veränderung nachhaltig verankert ist.

Und Mut. Es ist wichtig, dass wir uns trauen, „das Neue“ in kleinen Schritten auszuprobieren. So können wir rasch lernen, mit der gewonnenen Klarheit den weiteren Weg bestimmen und sicher immer näher ans Ziel kommen.

 

Liebe Tanja, vielen Dank für das Gespräch.

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